Liebe Genossinnen und Genossen,

liebe Freundinnen und Freunde,

ich hoffe, alle hatten einen schönen Sommer.

Wir haben in der Fraktion vergangene Woche mit einer Klausur gestartet. Besonders beeindruckt hat mich dort mein Kollege Detlef Müller aus Chemnitz. Er hat berichtet, wie er die Situation in der Stadt einschätzt. Chemnitz ist nicht braun, aber es gibt eine Naziszene, die nun Schulter an Schulter mit AfD und anderen Rechten den Mord an einem Bürger instrumentalisiert und rechte Hetze betreibt. Dagegen müssen wir uns wehren. Und es gibt eine zweite Botschaft: Wer um den Toten trauert, wer einen starken Rechtsstaat will, der solche Taten verhindert und, wenn sie dennoch passieren, aufklärt und ahndet, wer will, dass man sorgenfrei im Stadtpark mit den Kindern Eis essen gehen kann – der muss auf unserer Seite demonstrieren.

Während ich das schreibe, störe ich mich an dem Begriff der „Seite“. Wie weit ist die Spaltung im Land schon fortgeschritten?

Bei „Wein und Markt“ hat mich eine Frau gefragt, warum wir nicht mehr Leute abschieben. Nebendran saß ein Genosse, der einen Geflüchteten bei sich aufgenommen hat und diese Woche mit Bangen auf ein Gerichtsurteil wartet. Und als es darum ging, ob manche vielleicht ihr Alter verschleiern, warf eine ältere Dame ein: „Als wir aus Schlesien vertrieben wurden, glauben Sie, wir wären bis in den Westen gekommen, hätten wir jedem überall die Wahrheit gesagt?“

Natürlich: Mein Genosse macht mich stolz auf meine Partei. Die ältere Dame rührt mich. Die Frau mit den Abschiebungen macht mich dagegen traurig, und ich frage mich, ob das wirklich das wichtigste Thema für sie sein kann. Aber unter dem Strich: Alle drei müssen wir gewinnen. Sonst können wir unser Wertesystem nicht aufrechterhalten und auch nicht gegen die Feinde der Demokratie verteidigen. Und genau das ist unsere Aufgabe.

„Unsere“ meint tatsächlich, dass alle gefragt sind. Aber gewiss ist richtig, dass es gerade in solchen Zeiten auf politische Führung ankommt. Horst Seehofer vertieft jedoch die Spaltung, wenn er Migration als „Mutter aller Probleme“ bezeichnet. Hans-Georg Maaßen verstärkt die Verunsicherung, anstatt zu Sicherheit beizutragen. Ich nehme ihm übrigens ab, dass er nicht mit Rechtsradikalen sympathisiert. Aber ich nehme ihm nicht mehr ab, dass er die Wirkung seiner Aussagen angemessen einschätzen und verlorengegangenes Vertrauen wiederherstellen kann. Damit kann er nicht Präsident des Verfassungsschutzes bleiben.

Die große Koalition bleibt eine Baustelle, auf der viele fleißig arbeiten, während einige gleichzeitig das Fundament untergraben. Mir geht es allerdings nicht um diese Koalition. Mir geht es um unser Land. Dieses Land braucht wieder eine kraftvolle Idee, wie eine gute Zukunft für alle hier lebenden Menschen erreicht werden kann. Es braucht den Mut zur Vision, die Hoffnung auf ein besseres Morgen. Lasst uns daran arbeiten.

Es hat in Wiesloch einen Vorfall an einer Eisdiele gegeben, den ich noch nicht abschließend einschätzen kann. Jedenfalls gab es eine Auseinandersetzung, es ging etwas zu Bruch und es waren wohl ausländerfeindliche Parolen zu hören. Ob es nun Rechtsextreme waren oder Besoffene, es ist längst Zeit für ein Zeichen auch in Wiesloch, wofür wir stehen: für ein gutes Zusammenleben aller Menschen in unserer Stadt. Adrian Seidler, Jan-Peter Oppenheimer, Gaby Oppenheimer, Kai Schmidt-Eisenlohr und ich haben deshalb eine Kundgebung auf die Beine gestellt unter dem Motto „#WirsindMehr – auch in Wiesloch“. Damit schließen wir an das parteiübergreifende und von zahlreichen Vereinigungen, Parteien und Organisation getragene Aktionsbündnis „Wiesloch ist tolerant, bunt und vielfältig“ an, das im Frühjahr 2012 im Vorfeld einer NPD-Kundgebung gegründet wurde. Ich würde mich freuen, wenn viele am kommenden Montag, den 17. September, um 19 Uhr an den Adenauerplatz (Ecke Schlossstraße/Friedrichstraße) in Wiesloch kommen und gemeinsam mit uns ein lautes, starkes und friedliches Zeichen setzen.

Ihr/Euer

Lars Castellucci