Das vorliegende Gesetz ist ein tragfähiger Kompromiss, der unser Asylsystem insgesamt verbessern wird. Es enthält jedoch auch die Ausweitung der Liste sicherer Herkunftsstaaten gemäß Artikel 16a Absatz 3 Grundgesetz. Dieser Regelung kann ich nur als Teil des vorliegenden Gesamtpakets zustimmen. Als für sich stehende Änderung müsste ich sie ablehnen.

Das Grundrecht auf Asyl wird nicht dadurch besser, dass wir es einschränken. Im Parlamentarischen Rat gab es 1948 heftige Diskussionen um die Aufnahme eines Grundrechts auf Asyl. Aus den Erfahrungen deutscher Flüchtlinge, unter ihnen Willy Brandt, sollte eine Lehre gezogen werden: Nie wieder Abhängigkeit vom guten Willen eines Grenzbeamten, sondern ein Rechtsanspruch. Es ist schon sehr bemerkenswert, dass ein Land, das am Boden lag, einen Satz in das Grundgesetz geschrieben hat, dass jeder Mensch hier ein Recht auf Asyl hat, der politisch verfolgt wird. Es ist noch bemerkenswerter, dass die 28 Mitgliedstaaten der Europäischen Union über das Asylrecht für politisch Verfolgte hinausgegangen sind und sich auf gemeinsame Normen für den Schutz von Flüchtlingen geeinigt haben. Vor diesem Hintergrund haben wir die Debatte zu führen.

Nach dem Asylverfahrensgesetz handelt es sich bei den sicheren Herkunftsstaaten um solche Staaten, bei denen aufgrund der allgemeinen politischen Verhältnisse die gesetzliche Vermutung besteht, dass dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Diese Vermutung besteht, solange ein Mensch aus einem solchen Staat nicht glaubhaft Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, dass er entgegen dieser Vermutung doch verfolgt wird. Als sichere Herkunftsstaaten gelten die Mitgliedstaaten der Europäischen Union und die in Anlage II des Asylverfahrensgesetzes bezeichneten Staaten.

Das Recht, Schutz in Deutschland zu suchen, besteht auch für Menschen aus sicheren Herkunftsstaaten. Im Falle eines Asylantrages einer Person aus einem sicheren Herkunftsstaat ist der Antrag im ordentlichen Asylverfahren zu bearbeiten. Die Verlängerung der Liste sicherer Herkunftsstaaten hat auf die Asylantragszahlen somit keinen Einfluss. Die Einstufung von Albanien, Kosovo und Montenegro als sichere Herkunftsstaaten wird Menschen aus diesen Staaten nicht davon abhalten, einen Asylantrag in Deutschland zu stellen. Diese Idee ist keine Lösung für die aktuellen Herausforderungen, sondern reine Symbolpolitik. Das zeigt die Erfahrung:

Serbien, Mazedonien und Bosnien und Herzegowina gelten seit November 2014 als sichere Herkunftsstaaten. Trotzdem wurden bis September 2015 rund 24.700 Asylanträge aus EjR Mazedonien und Serbien gestellt. Ein positiver Effekt ist somit nicht erkennbar. Im Gegenteil: Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sind die Antragszahlen aus EjR Mazedonien und Serbien sogar deutlich gestiegen (um 84,8 Prozent bzw. um 28,8 Prozent).

Auch wird die Verfahrensdauer für Anträge von Menschen aus sicheren Herkunftsstaaten kaum beeinflusst. Daten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge zeigen, dass die Verfahren für Anträge von Menschen aus Albanien und Montenegro durchschnittlich deutlich kürzer sind (1,8 bzw. 3,1 Monate) als die Verfahren von Menschen aus den sicheren Herkunftsstaaten Serbien (4,2 Monate) sowie Bosnien und Herzegowina (4,4 Monate). Das zeigt, dass eine erstrebenswerte Verkürzung der Asylverfahren auch ohne das Mittel der sicheren Herkunftsstaaten möglich ist.

Positive Effekte sind also nicht zu erkennen. Negative Effekte sind zu befürchten:

Erstens kann die Einstufung eines Staates als sicherer Herkunftsstaat die Beurteilung des Antrages eines Schutzsuchenden aus diesem Staat negativ beeinflussen. Es ist mindestens zu erwarten, dass die Sachbearbeitung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge in dem Wissen, dass ein Menschen aus einem sicheren Herkunftsstaat kommt, den Antrag anders beurteilt, als den Antrag eines aus einem anderen Staat kommenden Menschen. Dadurch besteht die Gefahr, dass tatsächliche Schutzgründe nicht erkannt werden könnten. Es ist doch erstaunlich, dass die Schutzquote für Menschen zum Beispiel aus dem Kosovo in Frankreich im Jahr 2014 knapp 19 Prozent betrug, während in Deutschland lediglich knapp ein halbes Prozent der Menschen aus dem Kosovo Schutz erhielt. Auch in vielen anderen Staaten der Europäischen Union und der Schweiz sind die Schutzquoten für Flüchtlinge aus Staaten des westlichen Balkans weit höher als in Deutschland.

Zweitens ist die Einstufung der Staaten des westlichen Balkans ein falsches Signal an diese Staaten. Die Europäische Union gerät in den Beitrittsverhandlungen in den Themenbereichen Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechteschutz in die Defensive, wenn sie diesen Staaten einen Persilschein als sichere Herkunftsstaaten ausstellt.

Drittens erweckt die andauernde Diskussion über sichere Herkunftsstaaten den Anschein, dieses Mittel sei eine einfache und schnelle Lösung. Die Menschen in Deutschland erwarten wirksame und nachhaltige Lösungen. Am nachhaltigsten wäre die Beseitigung der Fluchtursachen. Nachhaltig wäre ein solidarisches Asylsystem der Europäischen Union. Nachhaltig wäre auch ein widerstandsfähiges und effizientes Asylsystem in Deutschland. Leider bindet die Diskussion über sichere Herkunftsstaaten wichtige Ressourcen, um diese Themen voranzutreiben. Die Ausweitung der Liste der sicheren Herkunftsländer ist keine Antwort auf die drängenden Fragen von Migration und Flucht.

Aus diesen Gründen kann ich dem Gesetzentwurf nur mit Verweis auf diese Erklärung zustimmen.